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Kaiserin Elisabeth
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(gekürzt Gerhard Eichinger)

Die lange Geschichte eines Denkmals, das Sisi ihrem Lieblingsdichter widmen wollte

Der Joyce-Kilmer-Park, hinter dem Yankee-Stadium in der South Bronx gelegen, steht üblicherweise auf keinem Sight­seeing-Programm eines New-York-Besuchers. Und doch bietet der Park eine Überraschung der besonderen Art.
Dort steht ein Lorelei-Brunnen, der Heinrich Heine gewidmet ist. Geschaffen wurde dieser Brunnen aus Tiroler Marmor von Ernst Herter, jenem Bildhauer, der auch den Hermes vor der Wiener Hermes-Villa gestaltet hat. Auftraggeberin war beide Male Kaiserin Elisabeth.

Sisi und Heine

Sisi war, wenn nicht eine begnadete, so zumindest eine besessene Dichterin. Nachdem sie Mitte der achtziger Jahre aus gesundheitlichen Gründen ihre Reitleidenschaft aufgeben mußte, wandte sie sich ganz dem Reisen und Dichten zu. Kaiser Franz Josef liess ihr abseits der offiziellen Refugien der Habsburger (in der Hofburg, in Schönbrunn, in Laxenburg und in Hetzendorf) eine Jagdvilla in Lainz bauen.

Bei der Auswahl dieser Denkmäler war Elisabeth persönlich involviert. Auf der Akademieausstellung 1881 hatte sie den damals noch unbekannten Berliner Bildhauer Ernst Herter (1846 - 1917) kennengelernt, nachdem sie sich für sein Gipsmodell des sterbenden Achill begeistert hatte. Elisabeth gefiel Herters Arbeit so gut, daß sie ihn auch beauftragte, eine Kolossalstatue des Hermes zu schaffen, die vor der Lainzer Villa aufgestellt wurde und ihren heutigen Namen „Hermesvilla" begründete.

Dennoch war Elisabeth, sehr zur Enttäuschung ihres Mannes, sehr selten in der Hermesvilla. Wie sie in ihren Gedichten zum Ausdruck brachte, fühlte sie sich wie eine Möwe, die ohne festes Zuhause herumfliegen muß. Ihre Interessen beschränkten sich auf das Griechische und ihre Dichtung, bei der sie sich von ihrem „Meister" Heine inspiriert fühlte. Immer wieder verwies sie darauf, daß sie ihre Inspirationen direkt von seinem Geist bekäme; einmal sei ihr der „Meister" sogar höchstpersönlich erschienen.

Von Elisabeths Gedichten wußten nur wenige Vertraute. Ihre Verehrung Heinrich Heines war jedoch allgemein bekannt. Elisabeth kannte lange Passagen Heines auswendig und beschäftigte sich intensiv mit dem Leben ihres „Meisters". Sie sammelte Heine-Manuskripte und Porträts. Sie besuchte Heines alte Schwester Charlotte von Embden in Hamburg und betete an Heines Grab in Paris.

In einer Zeit, in der vielen Geistesgrößen Denkmäler gesetzt wurden, reifte auch in Düsseldorf der Plan, einem ihrer berühmtesten Söhne, Heinrich Heine, ein Denkmal zu setzen. Anläßlich des 90. Geburtstags Heines wurde 1887 in Düsseldorf unter Führung des amtierenden Bürgermeisters Lindemann ein Kommitee gegründet, das in einigen Zeitungen Aufrufe zur Errichtung eines Heine-Denkmals veröffentlichte. Ein Sturm des Für und Wider setzte ein, denn Heine war im wilhelminischen Deutschland ein umstrittener Dichter. Vor allem antisemitische und deutschnationale Gruppen agitierten mit großem Einsatz gegen ihn.

Als das Düsseldorfer Heine-Komitee an Elisabeth mit der Bitte um Unterstützung herantrat, war sich Elisabeth der Heftigkeit der öffentlichen Auseinandersetzung nicht bewußt. Für Elisabeth war es nur selbstverständlich, daß Düsseldorf seinem größten Sohn ein Denkmal setzen wollte, und sagte spontan zu. Sie engagierte sich sowohl finanziell (mit 12.950 Reichsmark) als auch persönlich für die Errichtung eines Denkmals für ihren Meister in seiner Geburtsstadt.

Als ausführenden Künstler forcierte Elisabeth Ernst Herter, der für sie gerade an der Hermes-Statue für die Lainzer Villa arbeitete. Nachdem von öffentlicher Düsseldorfer Seite alles klar schien, erarbeitete Herter zwei Entwürfe und legte sie Elisabeth zur Begutachtung vor. Der eine stellte den Dichter auf einem Postament sitzend dar, der andere war ein Brunnen mit Lorelei-Motiv. Elisabeth entschied sich für den Postament-Entwurf. Von Herter ist Elisabeths Ausspruch überliefert, daß sie „den ganzen Heine wünsche", und sich „nicht mit einem Kompromiß abspeisen lassen wolle".

Düsseldorfer Kämpfe

Doch die Agitationen gegen das Heine-Denkmal hatten mittlerweile ein solches Ausmaß angenommen, daß sich der deutsche Kulturminister genötigt sah, dazu Stellung zu beziehen. Er sagte, daß er für den Fall, daß man das Heine-Denkmal in Statuenform ausführen wolle, die zahlreichen Proteste entsprechend berücksichtigen müsse. Gegen einen Lorelei-Brunnen hingegen könne niemand etwas einwenden. Der allgemeine Beifall, den das Lorelei-Motiv bei einer Ausstellung der Entwürfe in der Düsseldorfer Kunsthalle fand, bestätigte dieses Urteil.

Damit wäre der Vollendung des Heine-Denkmals in Düsseldorf eigentlich nichts mehr im Wege gestanden. Anstatt diese Kompromißlösung zu akzeptieren, wünschte das Düsseldorfer Heine-Komitee von Herter einen weiteren Entwurf Heines in Büstenform. Sofort erneuerte sich der eben erst besänftigte Entrüstungssturm gegen das Denkmal. Doch wollte inzwischen auch die Stadtregierung einer weiteren öffentlichen Auseinandersetzung aus dem Weg gehen. Unter dem fadenscheinigen Argument, daß die Errichtungsbewilligung inzwischen verjährt sei, gab man den Plan, Heine ein Denkmal zu setzen, auf. Die Stadtregierung verlangte sogar von Herter die Rückerstattung der bislang - ausschließlich von privater Hand - geleisteten Zahlungen für seine Vorarbeiten, was dieser selbstverständlich ablehnte. Auch Elisabeth hatte von den Auseinandersetzungen, in denen sie, soweit es die Zensur zuließ, auch persönlich angegriffen wurde, längst genug. Sie gab ihr Engagement für das Düsseldorfer Denkmal 1889 auf.

Für Elisabeth war die Errichtung eines Heine-Denkmals, sehr zur Enttäuschung vieler Liberaler, die in ihr eine Verbündete gegen die nationalistischen und antisemitischen Strömungen sahen, von Anfang an eine rein persönliche Angelegenheit gewesen. Zudem war der Lorelei Entwurf Herters, den sie ja immerhin selbst bezahlt hatte, für sie nur die zweitbeste Lösung. Sie wollte ihren Meister in voller Größe abgebildet haben.

Der Dichter auf Korfu

Seit den späten achtziger Jahren war Elisabeth sehr viel in Griechenland unterwegs. 1888 eröffnete sie ihrem Mann, daß sie Griechenland als ihre Zukunftsheimat betrachte. Franz Joseph war davon wenig begeistert, erfüllte jedoch seiner Frau ihren Wunsch und ließ ihr auf Korfu ein sündteures Privatschloß im Stil Trojas und Pompejis erbauen.

In ihrem Privatschloß namens Achilleion konnte Elisabeth auch ihrem geliebten Meister Heine endlich ohne Kompromisse huldigen. Sie prüfte verschiedene Porträts Heines und lud dann dessen Neffen Gustav Heine-Geldern ein, um festzustellen, welches Porträt Heine am ähnlichsten sei. Sie entschied sich schließlich für einen Entwurf des dänischen Bildhauers Hasselriis. Die lebensgroße Figur Heines, die dem ersten Entwurf Herters für Düsseldorf ähnelte, ließ sie in einem kleinen Tempel im Garten des Achilleions aufstellen.

Doch auch dieses Heine-Denkmal sollte, ähnlich wie der Lorelei-Brunnen, noch eine bewegte Zukunft haben. Nach dem Tod Elisabeths 1898 erbte ihre älteste Tochter Gisela das Achilleion. Sie verkaufte das ungemütliche Schloß an den kaiserlichen Familienfonds, der es 1907 an Wilhelm II. weiterverkaufte. Dessen erste Tat als neuer Hausherr war es, das Heine-Denkmal entfernen zu lassen. Diese kalkulierte Geste brachte ihm prompt den begeisterten Applaus des deutschen Boulevards ein. Über mehrere Umwege kam Hasselriis' Heine-Denkmal schließlich nach Frankreich in den Jardin de Mourillon in Toulon, wo es bis heute steht.

Heinrich Heine Denkmal in Toulon

Heine Denkmal im Jardin de Mourillon in Toulon

Doch zurück nach Düsseldorf. Das Modell des Lorelei-Brunnens, das auf der Düsseldorfer Ausstellung so viel Beifall gefunden hatte, wurde in die Große Akademische Ausstellung in Berlin aufgenommen und in mehreren, auch internationalen, Fachzeitschriften publiziert. So wurden die Leute von Arion, einem deutschen Verein in New York, auf den Entwurf Herters aufmerksam. Sie fragten den Künstler 1895, ob er bereit wäre, Heines Lorelei-Brunnen in New York zu errichten. Herter sagte freudig zu. Nachdem er ja schon sämtliche Vorarbeiten geleistet hatte, schritten die Arbeiten zügig voran. Doch auch bei der Aufstellung des Denkmals in New York gab es zunächst Schwierigkeiten. Ursprünglich wollte der Verein Arion das Heine-Denkmal an einer zentralen Stelle in Manhattan aufstellen. Gedacht hatten sie zuerst an den Columbus Circle, dann an den Central Park, doch beide Plätze wurden von der New Yorker Stadtverwaltung nicht genehmigt.

Die Lyrik ohne Kopf

Für die New Yorker war Heine zwar keine so umstrittene Figur wie für die Düsseldorfer, doch einem deutschen Juden, der sein ganzes Leben in Europa verbracht hatte, wollte man auch nicht unbedingt einen prominenten Platz in Manhattan einräumen. Schließlich wurde von der Stadt­verwaltung ein Platz in einem schönen Park in der Bronx genehmigt. Dieser Ort war damals zwar etwas abgelegen, aber eine schöne Wohngegend, in der unter anderem auch Mark Twain zu Hause war.

Am 8. Juli 1899 fand die Enthüllung des Denkmals statt, zu der Herter eigens aus Deutschland anreiste. Laut seinem Tagebuch war die Enthüllung eine imposante Kundgebung des Deutschtums in Amerika, mit Fahnen, Paraden und Musikkapellen. Doch die Auseinandersetzungen um dieses Heine-Denkmal gingen auch nach der Enthüllung in New York weiter. Waren es in Deutschland nur antisemitische Deutschnationale, die gegen Heine agitierten, so vergingen sich in New York nicht nur Antisemiten an seinem Denkmal. Vor allem während der beiden Weltkriege kam es auch immer wieder zu antideutschen Vandalenakten, die sich gegen Heine als einen der berühmtesten deutschen Dichter richteten.

Bereits ein halbes Jahr nach der Enthüllung, am 29. Jänner 1900, wurde das Denkmal das erste Mal verwüstet: Der Personifikation der Lyrik wurde der Kopf abgeschlagen.

Die Beschädigungen des Denkmals gingen jedoch weiter. Die Personifikation der Satire bekam in den sechziger Jahren einen gänzlich neuen Kopf, der aber bald wieder fehlte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gingen zwar die antideutschen Vandalenakte deutlich zurück, gleichzeitig kam es aber zu einem allgemeinen sozialen Niedergang der South Bronx. Antisemitische, beziehungs­weise antideutsche Zerstörungsakte wurden durch unpolitische Vandalenakte der lokalen Jugend ersetzt.

Eine letzte Übersiedelung

Seit ein paar Jahren bemüht sich die New Yorker Stadtverwaltung, die schäbige South Bronx zu revitalisieren, und tatsächlich sind Gewaltverbrechen und Vandalenakte in jüngster Zeit zurück­gegangen.
Das Heine-Denkmal war in letzter Zeit nicht mehr von Graffiti überzogen. Dennoch war der allgemeine Zustand sehr schlecht und die Köpfe des Brunnens, der meist nicht funktionierte, fehlten. Nur Lorelei selbst, die oben auf dem Denkmal ihre Haare kämmt, ist aufgrund ihrer schwer zugänglichen Lage von Ver­wüstungen weitgehend verschont ge­blieben.

Weil aber diese Geschichte zumindest zum Teil ein amerikanisches Märchen ist, gibt es jetzt ein Happy-End. Anfang diesen Jahres haben der New Yorker Bürger­meister Rudolph Giuliani und der Borough President der Bronx, Fernando Ferrer, einen Gemeinschafts­fonds zur Renovierung des Heine-Denkmals einge­richtet, der auf stattliche 1,2 Mill. Dollar anwuchs.

Mit diesem Geld konnte das Heine-Denkmal erneut auf Reisen geschickt werden. Zu Restaurierungs­arbeiten wurde es im Oktober nach Kanada gebracht. Gleich­zeitig wurde die Südseite des Joyce-Kilmer-Parks neu gestaltet wo der Lorelei-Brunnen seit Oktober 1999 seinen neuen Standort hat.

Heinrich Heine Denkmal in der Bronx

Lorelei Denkmal im Joyce-Kilmer-Park in New York

Der Artikel ist in der Wiener Zeitung erschienen


Heinrich HeineHeinrich Heine, letzter Dichter der Romantik,
* 13. Dezember 1797 als Harry Heine in Düsseldorf; † 17. Februar 1856 in Paris